„Me, myself and I“, Berlin, 2016/2017
Ihre Auftritte im New York der 1920er Jahre sind legendär: In fantastische Kostüme gewandet und posierend in skurrilen Tableaux Vivants gibt sie mit hemmungsloser Hingabe Opernarien zum Besten – und trifft dabei kaum einen Ton! Die Rede ist von Florence Foster Jenkins. Sie gilt als die schlechteste Opernsängerin der Welt, obwohl sie zeitlebens davon überzeugt war, eine begnadete Künstlerin zu sein und mit großer Hartnäckigkeit und Ernsthaftigkeit ihre Karriere verfolgte. Nonchalant setzte sie sich dabei über Geschlechterrollen und ihren gesellschaftlichen Rang hinweg und wurde durch ihre exzentrische Selbstüberschätzung, gepaart mit außergewöhnlicher Talentlosigkeit, zu einer bis heute bewunderten Kultfigur.
Der Regisseur und diesjährige Preisträger des Echo Klassik-Awards Ralf Pleger hat ihre Geschichte mit der gefeierten Opernsängerin Joyce DiDonato in der Hauptrolle verfilmt. Anlässlich des Kino-Starts von „Die Florence Foster Jenkins Story“ am 10. November 2016 zeigt die Gruppenausstellung „Me, Myself and I“ künstlerische Positionen, die sich mit den Themen Selbstinszenierung und Identität befassen. Allen Künstlerinnen und Künstlern gemeinsam ist der Geist der Extravaganz, das Stilmittel der überpointierten Darstellung, und dass sie in ihrem Werk radikal, konsequent, kompromisslos und leidenschaftlich sind – wie die Primadonna und frühe Camp-Vertreterin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Multimediakünstlerin Colette etwa führt seit Anfang der 1970er Jahre radikal Kunst und Leben zusammen, indem sie immer wieder andere Personen verkörpert, sich als diese inszeniert und fotografiert und damit als Vorreiterin von Künstlerinnen wie Cindy Sherman gilt und als Ikone ihrer Zeit selbst die Populärkultur beeinflusst hat. Ebenso wegweisend für nachfolgende Künstlergenerationen ist Jürgen Klauke, der sich zur gleichen Zeit in seinen Foto-Serien als schrill überzeichnete, androgyne Kunstfigur darstellt und so tradierte gesellschaftliche Vorstellungswelten und Geschlechterrollen hinterfragt. Sprache, Geschlecht und ethnische Herkunft stehen im Zentrum des Werks von Ming Wong, der mit Neuinterpretationen von Klassikern des Weltkinos bekannt wurde, in denen er alle Rollen selbst spielt und spricht, während Mariana Hahn die Kraft von Symbolen weiblicher Identität und die in ihnen eingeschriebene Geschichte erforscht und sichtbar macht und sich dabei konsequent der Materialien Seide, Schellack und Tinte bedient. Performance ist auch die Sprache von Cassils, in deren Kunstform die Interaktion des Körper mit seiner Umwelt eine entscheidende Rolle spielt. In der Ausstellung sehen wir einen Still aus einem ihrer Videos. Ihre ureigene, wilde Lebensmelodie spielt Miriam Lenk, deren sinnlich provokative Plastiken von Mischwesen aus Mensch, Tier und Pflanze vor Lebenslust geradezu zu bersten scheinen. Hendrina Krawinkel setzt sich in ihren Collagen mit den objekthaft inszenierten Klischees von Weiblichkeit auseinander und verleiht den blutleeren Models aus Hochglanzmagazinen mit kräftigem Pinselstrich eine farbenfrohe Präsenz. Hansa Wißkirchen wiederum verarbeitet autobiografische Erfahrungen und prägende Einflüsse zu dadaistisch anmutenden Assemblagen und Collagen.
Flankiert wird die Ausstellung durch Stills und Requisiten aus Ralf Plegers Film und Originalaufnahmen von Florence Foster Jenkins.
Quelle: 68projects.com
Hendrina Krawinkel
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